UN Women: Haltung zum Thema Prostitution

Rechtliche Aspekte

UN Women hat sich in der Frage der rechtlichen Behandlung von Prostitution offiziell neutral positioniert. Dies bedeutet, dass die Organisation weder ausdrücklich eine vollständige Legalisierung bzw. Entkriminalisierung noch eine generelle Kriminalisierung von Prostitution befürwortet. In einem Schreiben von 2019 stellte die damalige UN-Women-Exekutivdirektorin Phumzile Mlambo-Ngcuka klar: „UN Women nimmt in dieser Frage eine neutrale Haltung ein. Somit bezieht UN Women keine Position für oder gegen die Entkriminalisierung/Legalisierung von Prostitution/Sexarbeit.“. Dementsprechend unterstützt UN Women kein einzelnes rechtliches Modell (wie z. B. das Nordische Modell, bei dem Sexkäufer bestraft werden, nicht jedoch die Prostituierten), sondern fokussiert darauf, die Ausbeutung und Gewalt im Zusammenhang mit Prostitution zu bekämpfen. So spricht sich UN Women gegen die Bestrafung von Personen in der Prostitution aus und betont, dass Zuhälterei, Menschenhandel und andere Formen der Ausbeutung konsequent strafrechtlich verfolgt werden müssen. Wichtig ist UN Women dabei, dass internationale Übereinkommen eingehalten werden – etwa Artikel 6 der Frauenrechtskonvention CEDAW, der die Unterdrückung aller Formen von Frauenhandel und Ausbeutung der Prostitution von Frauen verlangt. Zwar gibt es innerhalb der Vereinten Nationen unterschiedliche Sichtweisen (etwa treten Gesundheitsorganisationen wie UNAIDS und WHO nachdrücklich für eine Entkriminalisierung zum Schutz der Rechte und Gesundheit von Sexarbeitenden ein, während manche UN-Mandatsträger*innen Prostitution als Menschenrechtsverletzung ansehen und das Nordische Modell befürworten), doch UN Women betont, dass die neutrale Haltung speziell die eigene Rolle als UN-Gleichstellungsorganisation widerspiegelt. Im Fokus steht für UN Women, geeignete rechtliche Rahmenbedingungen zu fördern, die Gendergerechtigkeit stärken, ohne sich pauschal auf einen ideologischen Lagerstreit festzulegen.

Menschenrechtliche Aspekte

UN Women betrachtet Prostitution primär durch die Linse der Frauenrechte und Menschenwürde. Häufig wird hervorgehoben, dass Prostitution in vielen Fällen mit Zwang, Gewalt oder begrenzten Wahlmöglichkeiten einhergeht und damit Ausdruck von Geschlechterungleichheit ist. So hat Phumzile Mlambo-Ngcuka 2020 etwa geäußert, UN Women betrachte alle Frauen in der Prostitution als Opfer, unabhängig davon, ob sie sich selbst als Sexarbeiterinnen sehen oder ihre Tätigkeit als Arbeit definieren – und die Freier als Täter, die Gewalt gegen Frauen ausüben. Diese Haltung spiegelt die Ansicht wider, dass Prostitution strukturell eng mit Gewalt und Ausbeutung verbunden ist und die Würde der Frauen verletzt – im Einklang mit dem historischen Standpunkt der UN, wonach Prostitution mit der Würde und dem Wert des Menschen unvereinbar ist. Gleichzeitig betont UN Women aber auch die Rechte von Sexarbeiter*innen selbst. Bereits 2013 wurde in internen Überlegungen festgehalten, dass Frauen das Recht haben müssen, freiwillig in die Sexarbeit zu gehen oder diese zu verlassen, und Zugang zu alternativen Einkommensmöglichkeiten erhalten sollen. In der menschenrechtlichen Argumentation von UN Women geht es also sowohl um den Schutz vor Gewalt, Zwang und Menschenhandel als auch um die Wahrung der Autonomie und Würde derjenigen, die in der Prostitution tätig sind. UN Women fordert, dass diese Frauen frei von Stigma, Diskriminierung und Gewalt leben können und echte Optionen haben, aus dem Sexgewerbe auszusteigen, wenn sie das wünschen. Insgesamt plädiert UN Women für einen menschenrechtsbasierten Ansatz, der die Gleichstellung der Geschlechter fördert: Prostitution wird in Zusammenhang mit Frauenrechten immer als Problem betrachtet, das aus mangelnder Gleichberechtigung und sozialer Benachteiligung resultiert, und die Organisation setzt sich dafür ein, die betroffenen Frauen rechtlich und gesellschaftlich zu schützen.

Gesundheitliche Aspekte

UN Women berücksichtigt auch die erheblichen gesundheitlichen Risiken und Bedürfnisse im Kontext von Prostitution. Frauen in der Prostitution sind überproportional von sexuell übertragbaren Infektionen (einschließlich HIV/AIDS) betroffen und erleben häufig körperliche Gewalt, die gravierende gesundheitliche Folgen haben kann. UN Women arbeitet eng mit anderen UN-Organen wie UNAIDS zusammen, um sicherzustellen, dass Sexarbeiterinnen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung haben – z. B. zu HIV-Prävention, Tests und Behandlung – ohne Angst vor Stigmatisierung oder Verhaftung. Studien im UN-Umfeld zeigen, dass Strafgesetze im Sexgewerbe die Gesundheit der Betroffenen beeinträchtigen können: Repressive Polizeikontrollen und Kriminalisierung führen z. B. zu geringerer Kondomnutzung und einem höheren Risiko für HIV und andere Krankheiten. Umgekehrt könnte eine Entkriminalisierung der Sexarbeit laut Modellrechnungen HIV-Infektionen um 33–46 % reduzieren – weil Sexarbeiterinnen dann eher Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen und Übergriffe anzeigen würden. UN Women betont ferner die enge Verbindung zwischen Gewalt und Gesundheit: Gewalt gegen Prostituierte (durch Freier, Zuhälter oder auch Behörden) führt nicht nur zu körperlichen Verletzungen, sondern schreckt die Frauen auch davon ab, ärztliche Hilfe zu suchen oder Präventionsangebote zu nutzen. Daher unterstützt UN Women Maßnahmen, die die körperliche und sexuelle Gesundheit von Frauen in der Prostitution schützen, etwa durch Gewaltschutz, Aufklärung und einen diskriminierungsfreien Zugang zum Gesundheitswesen. Insgesamt plädiert die Organisation für einen Ansatz, der die gesundheitlichen Belange dieser vulnerablen Gruppe ernst nimmt – im Sinne von “Recht auf Gesundheit” und der Forderung, niemanden aufgrund seiner Tätigkeit vom Gesundheitssystem auszuschließen.

Soziale Aspekte

Auf sozialer Ebene setzt sich UN Women dafür ein, die Lebensumstände von Personen in der Prostitution zu verbessern und ihnen Perspektiven jenseits des Sexgewerbes zu eröffnen. Die Organisation empfiehlt umfassende Unterstützungsprogramme, um denen zu helfen, die aus der Prostitution aussteigen möchten. Konkret befürwortet UN Women Maßnahmen wie gut finanzierte Ausstiegshilfen, psychosoziale Betreuung, Schulungs- und Bildungsangebote sowie Jobprogramme für ehemals in der Prostitution tätige Frauen. Diese sollten Teil eines ganzheitlichen Ansatzes sein, der auch für soziale Absicherung sorgt – etwa durch den Zugang zu Sozialleistungen, rechtlicher Beratung und sicheren Unterkünften. Ein zentrales Anliegen ist die Bekämpfung der ökonomischen Ursachen von Prostitution: UN Women betont, dass viele Frauen aufgrund von Armut, mangelnder Bildung und fehlenden Einkommensmöglichkeiten in die Prostitution geraten. Daher müssen Staaten und Gesellschaft verstärkt in Armutsbekämpfung, Bildungschancen und die Schaffung würdiger, alternativer Arbeitsplätze für Frauen investieren. UN Women unterstützt zudem soziale Initiativen, die Stigmatisierung und Diskriminierung von Sexarbeiter*innen abbauen. Durch Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit soll vermittelt werden, dass viele Betroffene unter prekären Bedingungen stehen und Unterstützung verdienen, statt Verurteilung. Schließlich arbeitet UN Women oft mit zivilgesellschaftlichen Gruppen zusammen, um Schutznetzwerke für Frauen in der Prostitution aufzubauen – etwa Notunterkünfte, Beratungsstellen und Exit-Programme, die den Übergang in ein anderes Berufsleben erleichtern. All diese sozialen Strategien entsprechen dem Leitbild von UN Women, Frauen in schwierigen Lebenslagen zu empowern (befähigen) und sicherzustellen, dass niemand „zurückgelassen“ wird, wie es auch in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verankert ist. Durch Kombination aus sozialer Unterstützung, Bildung und wirtschaftlicher Stärkung will UN Women die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Prostitution nicht mehr die vermeintlich einzige Option für benachteiligte Frauen ist.

Quellen: Die obigen Ausführungen basieren auf Stellungnahmen und Berichten von UN Women sowie relevanten UN-Dokumenten und Expertinnenberichten, einschließlich Zitaten aus offiziellen Schreiben der UN-Women-Leitung, Beiträgen zu UN-Konsultationen, menschenrechtlichen Rahmenwerken der UNnordicmodelnow.org und aktuellen Analysen zu Gesundheit und Gewalt im Prostitutionskontext. Diese Quellen unterstreichen die differenzierte Haltung von UN Women, die einerseits die Gleichberechtigung und Sicherheit von Frauen in den Vordergrund stellt und andererseits pragmatisch die besten Wege sucht, die Rechte und Gesundheit von Sexarbeiterinnen zu schützen.